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Spree-Tour


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Di, 04. Juli 2006]

Selten in diesem Urlaub hat uns der Schlaf so gut getan, wie in dieser Nacht. Wir starten erholt in den Tag. Vor dem endgültigen Aufbruch halten wir noch einen kurzen Plausch mit unseren Nachbarn im Motorboot. Dann geht es los. Links von unserem Boot bekommen wir einen Biber zu Gesicht, der durch das Wasser pflügt, um kurz darauf im freiliegenden Wurzelwerk der Bäume aum Ufer zu verschwinden. Es dauert nicht mehr lange, dann öffnet weitet sich der Blick vor uns, und wir treiben auf den Glower See hinaus. Ein Pärchen tanzender Schwäne begrüßt uns auf dem See. Wie einstudiert kreisen sie in sauberer Synchronisation stets um die eigene Achse, um dann plötzlich wie auf ein unsichtbares Zeichen hin die Drehrichtung zu wechseln. Eine ganze Weile beobachten wir sie, dann ist die Vorstellung mit einem Mal beendet.

Unsere Paddelrichtung wendet sich nun nach Norden, nachdem wir seit Alt-Schadow beständig ostwärts gepaddelt sind. Dies hat einen erfreulichen Nebenaspekt. Nachdem wir am Vortag fast die ganze Zeit den Wind gegen uns hatten, bläst er diesmal wenigstens zeitweise in unsere Fahrtrichtung, so dass wir den größeren Teil des Sees mit unserem zum Segel aufgespannten Regenschirm bewältigen können. Am Nordost-Ende des Sees landen wir neben der Marina von Leißnitz an einem kleinen Badestrand an, um ein erstes Päuschen einzulegen, eine Kleinigkeit zu essen und ein letztes Mal Seeausblicke zu genießen, bevor es wieder in den Flusslauf mit dem etwas beengteren Horizont hineingeht.

Auf dem nächsten Streckenabschnitt muss uns dies jedoch keine Sorgen machen. Dafür ist die Spree inzwischen viel zu breit. Das an den Vortagen sehr erfolgreich praktizierte Schattenpaddeln, bei dem man sich je nach Sonnenstand auf der einen oder anderen Flusseite von Baumschatten zu Baumschatten vorwärts arbeitet, ist hier kaum noch möglich, da die Bäume in der Regel weit hinter der Uferlinie wachsen. Auch mit der Einsamkei des Vortages ist es nun wieder vorbei. Der breite Fluss lockt jedoch überwiegend motorisierte Wassersportler an. Auch ein Relikt aus früheren Tagen bekommen wir zu sehen. Kurz hinter dem Auslauf des Glower Sees kreuzt eine von Hand betriebene Seilfähre an, um ein erstes Päuschen einzulegen, eine Kleinigkeit zu essen und ein unseren Weg.

Die Hitze setzt uns ordentlich zu und am frühen Nachmittag machen wir bei Kummerow an einem weiteren Wasserwander-Rastplatz, dessen Wiese mit großen, weißen Wigwam-Zelten bebaut ist, eine weitere Pause, die wir zum Klogang und zum Dösen nutzen. Ein großer, grüner Frosch hüpft neben unserem Boot umher, bevor wieder aufbrechen. Das Naturschutzgebiet südlich von Beeskow sorgt noch einmal kurz für landschaftliche Abwechslung, dann kommt schon der Kirchturm in Sicht.

Der Spree-Park Beeskow, den wir nach 14 km an diesem Tag, erreichen, war bereits seit Alt-Schadow in regelmäßigen Abständen durch große Schilder mit Entfernungsangaben angekündigt. Die dadurch geweckten Erwartungen kann er jedoch auf den ersten Blick nicht erfüllen. Der Hafen mit den vielen Yachten und dem Gekreische aus dem angeschlossenen Freibad wirkt auf uns zunächst wenig einladend. Wir paddeln erst einmal vorbei in Erwartung, irgendwo eine günstige Gelegenheit zum Anlanden zu finden. Die findet sich jedoch nicht, und so paddeln wir in den Hafen hinein. Einer der Stege ist dann doch für Paddler reserviert, wie ein kleines Schild verkündet. Ãœber eine am Steg angebrachte Bootsrolle können wir das Faltboot bequem aus dem Wasser ziehen. Zum ersten Mal kommt unser eigener Bootswagen zum Einsatz, auch wenn der Weg vom Steg zum dahinter liegenden Campingplatz keine hundert Meter misst. Der Platz selbst ist wenig attraktiv, eine große, längliche, sehr sandige Fläche, die von einer Fahrspur durchzogen wird. Die gähnende Leere tut ihr übriges. Zwei verlassen aussehende Wohnwagen — wahrscheinlich von Dauercampern — verlieren sich auf dem Platz und bilden damit einen heftigen Kontrast zu den mit zahllosen Yachten bevölkerten Anlegestegen. Einzig eine überdachte Holztischgruppe sorgt für ein wenig heimelige Atmosphäre. Neben ihr stellen wir unser Boot im Schatten ab und machen uns auf die Suche nach der Rezeption, was gar nicht so einfach ist. Nach einigem Durchfragen gelangen wir in einen zu einem Bürokomplex umgebauten ehemaligen Industriebau. In einem Raum, der das Flair eines Polizeibüros ausstrahlt, dürfen wir Platz nehmen und die knappen Fragen nach Name und Wohnort beantworten. Ein Mann, der ebenfalls den Eindruck macht, als sei er geradewegs dem Kommissariat in einer Derrick-Folge entsprungen, ansonsten aber sehr nett ist, gibt unsere Angaben gewissenhaft per Zweifingertippsystem in die Tastatur seines Computers ein. Anschließend versorgt er uns mit High-Tech-Chips, die zum einen die Schlüssel zu den diversen Einrichtungen dieses als Campingplatz getarnten Hochsicherheitstraktes darstellen, zum anderen unser Duschguthaben von 10 Euro gespeichert haben. Wir bekommen eine kurze Einführung in die Handhabe dieser Teile, deren Verwendung an den Lesegeräten unter den Duschen und einen Tipp, wo man am Abend eventuell das WM-Halbfinale zwischen Deutschland und Italien verfolgen kann: das ortsansässige Kino, wohin es uns allerdings nicht so sehr lockt.

Als wir das Zelt aufgebaut, uns geduscht und ein bisschen eingerichtet haben, ist es immer noch brüllend heiß und wir eigentlich viel zu müde, um jetzt eine Stadtbesichtigung zu unternehmen. Doch die Urlaubspflicht ruft, außerdem müssen wir noch einkaufen und haben Kohldampf. Also ziehen wir los. In einem Penny-Markt versorgen wir uns mit frischem Brot, Keksen, Salami, Käse, Brausetabletten mit Ananasgeschmack zur Verfeinerung unseres Trinkwassers (was sich in diesem Fall als absolute Fehlinvestition erweisen soll) und 1,5 Litern Bitter-Lemon-Limonade, die uns über die nächsten Stunden rettet. Das Städtchen erweist sich ungeachtet der in unserem Kanuührer gepriesenen historischen Bausubstanz als wenig schön und wenig einladend. Die wenigen Straßencafés erwecken den Eindruck, dass sich das hiesige Leben fast ausschließlich innerhalb der eigenen vier Wände abspielt. In einem Schlecker-Markt holt sich Kordula dann einen Tipp ab, wo man hier ein nettes Restaurant findet. In der Tat ist die etwas versteckt in der Nähe des Marktplatzes liegende Kirchenklause ein Volltreffer mit sehr schönem Biergarten und einer vielversprechenden Speisekarte. Ich stärke mich mit einem leckeren Salat, Kordula bevorzugt Steak mit Pommes. Leider gibt es hier keinen Fernseher, so dass wir für das Fußballspiel noch einmal umziehen müssen. Vom Nachbartisch schnappen wir auf, dass der Italiener ein paar Straßen weiter eine ideale Adresse sein soll. Aber wir wollen ja schließlich nicht Trostspender für das Personal spielen, wenn Deutschland die Italiener abfertigt und das WM-Finale erreicht. Deshalb bleiben wir schließlich in dem kleinen Bistro am Marktplatz hängen. Das spärliche Publikum setzt sich aus ein paar Jugendlichen und einer Reihe von Ganz-Tages-Stammgästen zusammen. Das Spiel trägt anschließend sein übriges dazu bei, dass keine rechte Stimmung aufkommen will. Als nach einer ereignisarmen ersten Hälfte in der zweiten überhaupt nichts mehr passiert, falle ich vor Müdigkeit und Langeweile fast vom Stuhl, und je mehr die 90. Spielminute naht, desto mehr sehne ich ein Tor herbei, selbst ein italiensiches wäre mir jetzt recht, um hier nicht noch eine weitere grausame halbe Stunde darben zu müssen. Doch die Verlängerung bleibt uns nicht erspart. Und als es gerade spannend zu werden beginnt — das Elfmeterschießen ist zum Greifen nahe — fallen die Tore schließlich doch noch. Leider jetzt tatsächlich gegen die Deutschen.

Wegen dieser zwei Minuten hat man sich also jetzt den Abend um die Ohren geschlagen. Enttäuscht und schlaftrunken torkeln wir zurück zum Campingplatz. Als wir beim Italiener vorbeikommen, hält sich auch dort die Stimmung in Grenzen, und ich habe irgendwie das Gefühl, dass das zu dieser Stadt, von der ich spätestens nach dem 0:1 genug habe, passt.

 

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