Nach dem massiven Kulturprogramm der letzten beiden Tage gibt es heute so etwas wie einen Urlaub im
Urlaub. Faltboot Lisa, das drei Tage lang im Kofferraum unseres Autos darben musste, wird nach dem
Frühstück zu neuem Leben erweckt und aufgebaut. Kopfzerbrechen bereitet uns nur die aus der Bootshaut
herausgesprungene Öse. Wir versuchen dem Stoff mit Klebeband den nötigen Halt zu verleihen. Als wir
unser Tagesgepäck beisammen haben, transportieren wir das Boot mit Hilfe des Bootswagens zu den
etwas abseits gelegenen
Anlegestellen
unweit der Rezeption, wo ein paar scheinbar vergessene
Ruderboote im regungslosen Wasser liegen. Das Zuwasserlassen des Bootes ist kein Vergnügen, da
der weithin hörbar quietschende Steg recht hoch über der Wasserlinie verläuft, doch wir kriegen es
ganz gut hin. Was für eine Wonne, endlich wieder in dem von Gepäck befreiten Boot zu sitzen und
über die Wasseroberfläche zu gleiten.
Zunächst verpaddeln wir uns ein bisschen in dem Seitenarm in noch reglosere und entsprechend übel
riechende Bereiche, ehe wir den Ausgang zu dem Durchfluss finden, der den Glindower See mit der
Havel verbindet. Wir gleiten unter der Bundesstraße hindurch und befinden uns auf dem seenartig
verbreiterten Fluss. Unser Ziel ist nur wenige Kilometer entfernt: Werder, das wir bislang nur
bei unserer Busfahrt gestern abend ein wenig in Augenschein nehmen konnten. In gemütlichem Tempo
treiben wir auf die im Fluss liegende Insel zu, auf der sich die historische Altstadt Werders befindet,
nur durch eine
schmale Brücke
mit dem Festland verbunden. Leider erweist es sich als nicht ganz so
einfach, eine Stelle ausfindig zu machen, die den Eindruck erweckt, als dürften wir dort landen und
unser Boot festmachen. So kommt es, dass wir die Insel zunächst ein gutes Stück umrunden, durch die
Brücke zum Festland hindurch und um die Nordspitze herum, wo wir ein Hinweisschild auf einen
Wasserwander-Rastplatz finden. Dass der sich an der Festlandseite befindet und wir ihn schon
passiert haben, finden wir erst später anhand einer Karte innerhalb des Ortes heraus. So landen wir
schließlich — nachdem wir die Anlegestege eines teuer aussehenden Restaurants mangels Lust,
schon wieder in einer Gaststätte zu landen, bevor wir überhaupt den Ort gesehen haben — an
den
Bootsstegen eines Ruderclubs,
wo wir das Boot an Land ziehen und auf einem Rasenstück ablegen
können. Sicherheitshalber ketten wir es am Zaun des Ruderclub-Geländes an. Eine Erlaubnis für unser
Tun einzuholen, gelingt uns nicht. Keiner derer, die uns hier über den Weg laufen, fühlt sich dazu
ermächtigt. Also lassen wir Lisa so liegen und machen uns zu unserem Erkundungsgang in den Ort auf.
Werder hat dank der niedrigen und kleinen Häuschen eher das Flair eines Dorfes als einer Stadt. Die
Häuser entlang der kopfsteingepflasterten Gassen wirken auf mich allerdings etwas abweisend und
verschlossen. Auf dem
zentralen Marktplatz
findet dann aber doch etwas Leben statt. Zwei bis drei
kleinere Gaststätten haben ihre Tische und Stühle im Freien aufgestellt — ein Angebot, das wir
nun dankbar annehmen.
Obwohl die zu bewältigenden Distanzen um einiges geringer sind, als die der beiden Vortage, bin ich
dank des heißen Wetters innerhalb kürzester Zeit schon wieder schlapp. Das Bauernfrühstück, das wir
uns bestellen, bestehend aus Bratkartoffeln und Omelette, verschafft mir allenfalls Aufschub und
keineswegs Linderung meiner Leiden. Wir durchstöbern ein paar Läden, die das übliche Gemisch aus
Handwerkskunst, Billigst-Souvenirs und kulinarischen Erzeugnissen der Region feilbieten, und nehmen
dabei die Auswahl an Obstweinen etwas näher unter die Lupe. Eine Flasche Erdbeerwein aus der
Plastikflasche geht in unseren Besitz über. Dann stolpern wir weiter, verlassen die Insel und statten
dem etwas moderner daherkommenden Ortsteil auf dem Festland einen kurzen Besuch ab. Anschließend
schleppen wir uns zurück zum Gelände des Ruderclubs, wo unser Boot wartet. Dort fläzen wir uns
unter einem schattigen Baum ins Gras und erholen uns eine ganze Weile von den Strapazen unseres
Landgangs.
Wie üblich ist Kordula die treibende Kraft, die diesem Zustand süßen Nichtstuns ein Ende bereitet
und zum Aufbruch zwecks Rückfahrt zur Riegelspitze bläst. Wir packen unsere Sachen und lassen das
Boot an der leider etwas schlammigen Einstiegsstelle zu Wasser. Einsteigen wollen wir jedoch vom
Steg aus, um allzu dreckige Füße zu vermeiden.
In einem Anfall von Übermut stoße ich das Boot vom Ufer ab, in der naiven Absicht, es an dem
vom Ufer wegführenden Steg entlang gleiten lassen zu können. Doch Lisa hat ihren eigenen Willen
und nutzt ihre plötzliche Freiheit, um nach rechts von dem Steg weg zu driften. Das Ergebnis ist
eine wild schimpfende Kordula, die mir zuvorkommt und in voller textiler Ausstattung ins hüfthohe
Wasser dem Boot hinterher stapft, um es wieder an Land zu holen. Für den Rest des Tages sind mir
ihre kopfschüttelnden Kommentare zu diesem Vorfall sicher.
Dank des heißen Wetters besteht immerhin keine Erkältungsgefahr für Kordula. Den Rückweg zur
Riegelspitze bewältigen wir abermals in betont gemütlichem Tempo. Am Campingplatz angekommen,
landen wir jedoch nicht an den Stegen mit den Ruderbooten an, sondern wählen ein etwas
ruhigeres Stück Badestrand.
Während Kordula zu unserem Campingbungalow marschiert, um den Bootswagen zu holen,
den wir am Morgen dort zurückgelassen haben, sühne ich meine Schuld, indem ich ebenfalls in meinen
Klamotten ein paar Runden im Glindower See schwimme. Eine Strafe ist das in dem angenehm warmen
Wasser jedoch keinesfalls.
An unserem Bungalow stellen wir unser Boot ab und ziehen uns erst einmal um. Nebenbei kommen wir mit einem
älteren Pärchen ins Gespräch, das unweit unseres Bungalows in einem Wohnmobil haust und auf der
Freiluft-Bowlingbahn daneben seinen Klepper abgestellt hat, ein nagelneues Modell in leuchtendem Rot.
Später setzen wir uns ins
Auto und fahren zu dem Einkaufszentrum, in dem wir uns zwei Tage zuvor mit Grill-Utensilien eingedeckt
haben. Da wir davon noch einiges an Grill- und Essbarem übrig haben, wollen wir die Reste ein wenig
aufstocken und heute noch einmal einen Grill anschmeißen, wofür wir einen solchen in Form
eines Einweggrills benötigen. Nachdem wir uns in den lauen Abendstunden mit Grillfackeln
und Hackepeter-Brötchen auf unserer Terasse den Wanst vollgeschlagen haben, lassen wir die letzten
Augenblicke des Abends noch einmal am diesmal zu dieser Uhrzeit leider noch mondlosen Badestrand ausklingen.