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Spree-Tour


Geländedarstellung: © 1998 Microsoft (Encarta)
[Sa, 01. Juli 2006]

Heute geht es also los. Zum letzten Mal hole ich in dem kleinen Campingladen unsere vorbestellten Brötchen ab. Nach dem Frühstück fahren wir das Auto in die Stadt und hinterlassen es an der vom Bahnhof in die Stadt führende Straße. Per Pedes geht es zurück zum Campingplatz. Wir begleichen unsere Rechnung und bauen das Zelt ab. Der Transport des Bootes zum Anlegesteg durch die engen Gassen der Zeltstadt, die am Vortag vor unserer Haustür entstanden ist, gestaltet sich einigermaßen unproblematisch, da sich der darin hausende, Würstchen werfende Haufen geschlossen vom Acker gemacht hat. Mit der Erfahrung des Vorjahres fällt uns das erstmalige Verstauen der Ausrüstung im Boot dieses Jahr um einiges leichter. Wir verabschieden uns von unseren Zeltnachbarn mit den Klepper-Booten. Dann sind wir im Boot und paddeln los, einfach so.

Zunächst ist uns der Weg vertraut. Wir paddeln die Hauptspree entlang und gelangen an die Brücke, von der aus drei Tage zuvor die Jugendlichen ihre Sprünge unternommen haben. Dann geht es geradeaus weiter, vorbei an idyllischen kleinen Wochenendhäusen, die den Neid in mir wecken, hinaus aus der Stadt und zwischen langgestreckten Feldern auf einem kerzengeraden Kanal nach Norden in Richtung Lübben. Ein Stückchen vor der Stadt drängt es uns dann nach einer ersten Pause. Unterhalb eines Stromverteiler-Häuschens entdecken wir einen kleinen Steg, den wir zum Festmachen und Aussteigen nutzen können. Danach flüchten wir uns erst einmal in den Schatten des Häuschens, machen uns über unsere Vorräte her und grüßen die zahlreichen Radfahrer, die auf dem am Spreeufer entlangführenden Radweg an uns vorbeifahren.

Nachdem wir uns noch ein wenig ausgeruht haben, setzen wir unsere erste Etappe fort. Die zuletzt etwas eintönige Strecke wird bald durch ein windungsreicheres Stück abgelöst, das uns ins Stadtinnere von Lübben bringt. Hier sehen wir auch die vetrauten Touristen-Kähne wieder. Zusammen mit einem von ihnen passieren wir die Lübbener Schleuse. Eine Gelegenheit irgendwo festzumachen und auszusteigen bietet sich nicht an, und so paddeln wir weiter, bis wir am nördlichen Stadtrand die Gaststätte Pfaffenberge erreichen. Die Gaststätte besticht durch einen eigenen Hafen, den man schon nicht mehr als klein bezeichnen kann. Hier können wir Lisa neben den unzähligen anderen Paddelbooten festbinden und vom Biergarten aus im Auge behalten. Bei einem kleinen Imbiss — ich entscheide mich für den sehr leckeren Strammen Max — genießen wir das sonnendurchflutete Treiben um uns herum, das durch zahlreiche Radfahrer bestimmt wird, die hier Station machen. Mit solchen Anlaufpunkten auf der Wegstrecke darf der Urlaub gerne weiter gehen.

Wieder auf dem Wasser wird die Szenerie bald einsamer. Wir lassen Lübben hinter uns und paddeln an naturbelassenen Uferabschnitten entlang. Hier und da ein Angler oder ein motorbetriebener Kahn, auf dem ein paar Jugendliche unterwegs sind. In der Ferne sind in unregelmäßigen Abständen Donnerschläge wie von einem fernen Feuerwerk zu hören. Da die Landschaft um uns herum bald nur noch wenige Anhaltspunkte zur Bestimmung unseres Aufenthaltsorts bietet, sind wir verunsichert, als der in unserer Karte eingezeichnete, nach links abzweigende Flussarm nicht auftaucht. Ein Angler am Ufer versichert uns, dass wir nach Petkamsberg einfach geradeaus weiter müssen. Tatsächlich gelangen wir schließlich an die in der Karte verzeichnete Schleuse, ohne an dem abzweigenden Flussarm vorbeigekommen zu sein.

Das letzte Stück bringen wir überraschend schnell hinter uns. Irgendwann erblicken wir auf der rechten Seite einen hoch aufragenden, in der Mitte geteilten Spreekahn, dessen Aufschrift verkündet, dass wir uns hier am Wasserwander-Rastplatz Petkamsberg befinden. Wir haben es geschafft. Hinter uns liegen 20 km. Ãœber einen kleinen, lehmigen Trampelpfad ziehen wir das Boot die Böschung hinauf, nachdem wir das Gepäck oben abgelegt haben. Oben entdecken wir einen Ally-Faltkanadier, der zu zwei kleinen Mädchen zu gehören scheint, die sich kurze Zeit später damit abmühen, ihn zum Wasser zu schleppen. Ich melde uns an der Theke der Kneipe an, zu der dieser Rastplatz gehört. Auf dem Fernseher im Nebenraum kickt Portugal gegen England um WM-Lorbeeren, und mir fällt es schwer, mich nicht einfach auf einen der freien Stühle zu setzen. Der Junge hinter der Theke fordert mich auf, das Zelt auf der Wiese hinter dem Sandspielplatz aufzustellen und anschließend die insgesamt acht Euro zu bezahlen. Zu diesem Zeitpunkt halte ich das noch für günstig — spätestens in Beeskow, drei Tage später, soll sich das ändern. Eine Dusche gibt es zwar, leider jedoch ist der Warmwasserboiler defekt, so dass ich mich unters kalte Wasser stelle, nachdem das Zelt steht — an einem heißen Tag wie diesem nicht ganz so schlimm. Danach widerstehen wir erfolgreich den Verlockungen der Petkamsberger Speisekarte und des flimmernden Fernsehers im Kneipeninneren, und kochen brav unsere Spaghetti. Eine Möglichkeit zum Abspülen gibt es leider auch nicht, lediglich entsprechende Verbotsschilder in dem Waschraum mit der Dusche. Notgedrungen spüle ich am Fluss.

Inzwischen haben wir auch unsere Zeltnachbarn mit dem Ally etwas kennengelernt — eine vierköpfige Familie mit einem sehr redefreudigen Oberhaupt, der uns etwas zu stark dosiert von seinem Ally vorschwärmt und uns anbietet, ihn einmal auszuprobieren. Dazu haben wir allerdings irgendwann keine Lust mehr — zumal uns das Geschwalle des stolzen Besitzers zum Schluss hin doch nervt.

Größere Sorgen bereitet uns unsere Bargeldausstattung. Vor unserem Aufbruch in Lübbenau haben wir es versäumt, unseren Bestand noch einmal aufzustocken. Unsere Hoffnung, in den auf dem Weg liegenden Dörfern Schlepzig oder Leibsch auf eine Bank mit einem Geldautomaten zu stoßen, wird durch das Kopfschütteln des an der Theke bedienenden Jungen zunichte gemacht. Spreeabwärts würden wir nichts finden, meint er. Am sichersten sei es, nach Lübben zurückzupaddeln, worauf wir verständlicherweise nicht allzu scharf sind. Ein Gast, der meine Frage aufgeschnappt hat, weiß dann allerdings, dass sich in Neu-Lübbenau eine Bank befindet. Ein Blick auf unsere Karte verrät uns, dass Neu-Lübbenau zwar nicht wirklich an der Spree, aber auch nicht allzuweit davon entfernt liegt, so dass es in vertretbarer Zeit zu Fuß zu erreichen sein sollte. Da werden Erinnerungen an unseren letzten Urlaub auf Korfu wach, als wir vor unserer Rückreise in ein 15 km entfernt gelegenes Nest gelatscht sind, um an einen Geldautomaten zu gelangen — unsere Hotelrechnung hatte sich unerwarteterweise nicht per Kreditkarte begleichen lassen. Mit wenig Begeisterung nehmen wir den Fußmarsch von Leibsch nach Neu-Lübbenau in unsere Planung für den kommenden Tag auf.

Zu unserer abendlichen Kniffelpartie packe ich das Radio aus. Portugal ist eine Runde weiter, nun sind Frankreich und Brasilien an der Reihe. Die Kneipe hat bereits um 22.00 Uhr dicht gemacht, so dass mein ursprünglicher Plan, mir eventuell die zweite Halbzeit am Fernseher reinzuziehen, nicht umzusetzen ist. Als es dämmert, vertreibt uns die Blutgier der hier sesshaften Stechmücken von dem gemütlichen Platz vor dem Zelt. Auf dem Weg zu den Waschräumen sehe ich dann doch noch das einzige Tor dieses Abends. Es fällt just in dem Moment, als ich an einem Fenster der Gaststätte vorbeikomme, hinter dem sich offensichtlich die private Wohnung des Besitzers oder Pächters befindet. Er hat einen Lamellenrollo heruntergelassen, doch das Wichtigste ist durch die Ritzen auszumachen. Den Rest des Spieles verfolge ich dann vor dem Zelt, dick in meinen Schlafsack eingemummelt, um den Mücken den Zugang zu ihren Zapfstellen zu erschweren. Nachdem das Spiel zu Ende und Brasilien ausgeschieden ist, folge ich Kordula ins Zelt.

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